Flatterhaft: Auch Wellensittiche gehen fremd
Fast menschliche Züge zeigen nach neuesten umfangreichen Untersuchungen auch männliche Wellensittiche. Der Wille fremdzugehen ist erstaunlich hoch - allerdings nur, wenn die feste Partnerin außer Sicht ist.
Auch ein Wellensittich-Männchen weiß, daß ihm buchstäblich das Nudelholz droht, wenn er sich beim Seitensprung erwischen läßt. Das fanden jetzt Wissenschaftlerinnen der Binghampton University, New York, heraus.
Aliza Baltz und Anne Clark untersuchten das Verhalten von 13 Sittich-Paaren, die gerade
mit der Balz begonnen hatten. Jedes Pärchen wurde zunächst 30 Minuten lang beobachtet.
Dann wurde das Männchen in einen anderen Käfig gesteckt und einen Meter entfernt
aufgestellt - immer noch in Sichtkontakt mit der Partnerin. Direkt nebenan jedoch stand
der Käfig eines Weibchens, das das Männchen noch nie gesehen hatte.
Jedes Männchen erhielt die Möglichkeit, auf zwei verschiedenen Wegen mit der neuen Wellensittich-Dame in Kontakt zu treten. Einmal unter Aufsicht der Partnerin und einmal, wenn die Sicht zur Partnerin verdeckt war. Baltz und Clark zählten nun, wie oft die Männchen jeweils begeistert mit dem Kopf nickten - ein typisches Balz-Ritual. Und siehe da! Fast dreiviertel aller Nicker fanden immer dann statt, wenn die Partnerin nicht zuschaute.
Waren die Männchen vielleicht nur einsam? Die Wissenschaftlerinnen machten die Probe aufs Exempel und tauschten die Weibchen gegen Männchen aus. Doch von Einsamkeit konnte keine Rede sein. Die Häufigkeit der Kontaktaufnahme zwischen den beiden blieb genau gleich. Egal, ob das Weibchen zusehen konnte oder nicht. Die flatterhaften Männchen, die schließlich beim Seitensprung erwischt wurden, hatten später einiges auszustehen, wenn sie wieder in ihre Paar-Käfige zurückgebracht wurden.
Das Wissenschafts-Magazin New Scientist berichtete jetzt: "Männchen gehen heimlich fremd, um zu verhindern, daß sie ausgestoßen werden. Natürlich wollen sie auch der Bestrafung durch das Weibchen entgehen. Wenn untreue Wellensittiche zu ihrer Partnerin zurückgebracht wurden, war der Empfang eher frostig. Es hagelte schrille, verärgerte Tschirp-Laute und heftige Schnabel-Stöße."
Berliner Morgenpost Online (Sonnabend, 07. Juni 1997)