Europas schönster Wellensittich 1997 (aus: Rhein-Zeitung)

Europas schönster Wellensittich kommt aus Eutin. Er heißt "King Louis", gehört Fleischermeister Torsten Nagel und wurde auf der Europaschau der Vogelzüchter in Karlsruhe 1997 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Doch "King Louis" ist der ganze Rummel piepegal und seinen rund 200 Artgenossen in der großen Voliere im Nagelschen Keller auch. Dort zählen keine Preise - wer am lautesten zwitschert, setzt sich durch. Ich bin Europameister. Das interessiert mich nicht. Bring mich wieder zu meinen Wellis.

"Bei den Schauen ist das anders. Da wissen sich die Vögel schon in Szene zu setzen, und wenn dann eine Preisrosette am Käfig hängt, dann sehen sie richtig stolz aus", behauptet Nagel. Er muß wissen, wovon er spricht, denn er züchtet seit 1980 Wellensittiche, die ihm seither schon rund 400 Auszeichnungen eingebracht haben. Mit seiner Goldmedaille hat "King Louis" allerdings den Vogel abgeschossen. Aber schließlich ist er auch ein Prachtexemplar, schneeweiß mit munteren schwarzen Knopfaugen, gut gebaut und mit makelloser Haltung.

Bei soviel Schönheit müßten doch die Sittichdamen auf ihn fliegen, sollte man meinen. Aber die haben da oft ihren eigenen Kopf und machen dem Züchter das Leben schwer, berichtet Nagel. "Es kommt schon vor, daß sich zwei Tiere einfach nicht mögen, und meistens sind es die Weibchen, die ein bißchen zickig sind", seufzt er. Damit sich der erwünschte Zuchterfolg einstellt, muß dann der Züchter ein wenig Amor spielen, und wenn gar nichts hilft, gibts einen neuen Partner.

Ihr gutes Aussehen verdanken "King Louis" und seine Kollegen übrigens allein dem züchterischen Geschick ihres Besitzers. In den Napf kommt ganz gewöhnliches Vogelfutter, wie es jeder "Butschi" oder "Hansi" bekommt, und Tricks, um die kritischen Augen der Juroren zu täuschen, gibt es auch nicht, beteuert Nagel. "Nur wenn sich die Vögel mal gegenseitig verletzen und dadurch Blutflecke im Gefieder entstehen, werden sie mit Babyshampoo gebadet und unter der Wärmelampe getrocknet", erzählt er.

Im Gegensatz zu vielen "Butschis" und "Hansis" sind Nagels Sittiche nicht handzahm, und sprechen können sie auch nicht. "Sie leben ja mit so vielen Artgenossen zusammen, da brauchen sie den Menschen als Ersatzpartner nicht", erklärt der Vogelfreund. Und obwohl er jedes einzelne Tier kennt, ist "King Louis" der einzige, der einen Namen hat. Aber vom Starkult hält Europas schönster Wellensittich ohnehin nichts. Da hält er doch lieber ein Schwätzchen mit seinem Nachbarn auf der Stange. Aber vielleicht erzählt er dem ja von seinen Erlebnissen auf der Europaschau. Foto: dpa